Expert interview  iconannual 2016  Dr. Gerhard Hrebicek, President European Brand Institute

In Europa liegen noch viele Marken im Verborgenen

Es ist kein Geheimnis, dass Marken von größerer Bedeutung sind, als das Produkt selbst, erklärt Gerhard Hrebicek, Präsident des European Brand Institute. Im Interview mit dem iconannual-Magazin spricht er über die Herausforderungen des Marken-Managements, ganz besondere Werte und den Einfluss von alternativen Finanzierungsformen.

iconannual-Magazin: Marken genossen im vergangenen Jahrhundert das uneingeschränkte Vertrauen der Konsumenten und führten zu einer fast lebenslänglichen Treue ihrer Kunden. Herr Dr. Hrebicek, wo liegt im Vergleich dazu die Bedeutung einer Marke heute, im 21. Jahrhundert?

 

Gerhard Hrebicek: In der Einstellung der Kunden und der Firmen hat sich viel verändert. Früher waren die grossen Markenartikelhersteller eigentlich einfache Industrieunternehmen, die in grosser Zahl ihre Produkte auf den Markt brachten und – so ganz nebenbei – diese auch noch vermarkteten. Diesen Marken vertraute der Konsument und daher kaufte er sie auch. Ich würde generell sagen, dass Marken heute vermutlich immer noch die wertvollsten, gleichzeitig aber auch die am wenigsten verstandenen immateriellen Vermögensgegenstände sind. Der Slogan: „People buy brands not products“ – gilt in der globalen Kommunikationsgesellschaft immer noch. Es hat sich also eines grundlegend geändert: Marken werden zwar als höchst wertvolle Güter des Wirtschaftslebens anerkannt, doch es ist kein Geheimnis, dass Marken heute von noch viel größerer Bedeutung sind als das Produkt selbst.

 

Das geht so weit, dass die Bedeutung von Marken nicht nur bei Konsumenten oder den Firmeneigentümern steigt, sondern ebenso bei Investoren und bei Managern. Im Rahmen einer guten Markenführung und einer transparenten Verfolgung der Markenentwicklung, ebenso wie im Sinne einer guten Corporate Governance, müssen Marken und deren Beeinflussungsgrößen für die Aktionäre, das Management, die Gesellschaft, die Partner und die Mitarbeiter verfolgt, verstanden und gemanagt werden. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, Marken und Patente immer wieder bewerten zu lassen.

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(c) European Brand Institute GmbH/APA-Fotoservice/Schedl

iconannual-Magazin: Wie agiert ein Manager heute wenn er Markenmanagement betreibt?

 

Gerhard Hrebicek:

Heute können bereits die komplexesten Technologien, aber auch Services, Menschen oder ganze Unternehmen zu Marken werden. Markenfamilien werden ständig größer. Deshalb ist Ihre Frage nicht so leicht zu beantworten. Die eigentlichen Fragen lauten vielmehr: Wie werden Marken aufgebaut, was macht Marken wertvoll, wie werden sie bewertet und inwiefern müssen sich bestehende Markenführungssysteme verändern? Dies gilt ebenso für nicht börsennotierte Unternehmen und Klein- und Mittelbetriebe, denen es durch die neuen Informationstechniken heute möglich ist, global aufzutreten und rasch signifikante Marktpositionen einzunehmen. 

Das Management einer Marke und deren Wert hat in der heutigen Wirtschaft eine besondere Bedeutung erreicht, da sich mit dem wirtschaftlichen Umfeld die Schwerpunkte des Managements verändert haben.

Aus ökonomischer Sicht ist folgendes passiert: Die großen Unternehmen haben sich heute von einer produzierenden Industrie mit materiellen Vermögensgegenständen, zunehmend zu wissensbasierten Dienstleistungsunternehmen entwickelt, die hauptsächlich über immaterielle Vermögensgegenstände verfügen. Das wertorientierte Management sollte vor allem auf immaterielle ermögensgegenstände – also auf die Marke – ausgerichtet sein. Der Trend in der Entwicklung der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen in Unternehmen heute geht weg von den materiellen und hin zu immateriellen Vermögensgegenständen.

Es ist kein Geheimnis, dass Marken von größerer Bedeutung sind, als das Produkt selbst, erklärt Gerhard Hrebicek, Präsident des European Brand Institute. Im Interview mit dem iconannual-Magazin spricht er über die Herausforderungen des Marken-Managements, ganz besondere Werte und den Einfluss von alternativen Finanzierungsformen. 

 

iconannual-Magazin: Wie bewertet man eine Marke am besten aus Ihrer Sicht und ab wann wird eine Marke eigentlich relevant für die Firmenbilanz?

 

Gerhard Hrebicek: Es ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass Marken in den vergangenen Jahren immer stärker dazu tendierten, Emotionen und Gefühle zu vermitteln. Das hat man ja auch sehr gut in Werbespots verpacken können. Also zum Beispiel hat ein schnittiger Wagen, wie ein „Mercedes“ mit dem Slogan „Das Beste kennt keine Alternative“ ein Lebensgefühl vermittelt. Hingegen hat ein Getränk wie „Red Bull“ dem Konsumenten „Flügel verliehen“, oder besser: es wurde mit einem Mal zu einem Kultgetränk. Und so kam es dazu, dass die meisten Marken plötzlich nur erfolgreich sein konnten, wenn sie bei den Konsumenten starke Gefühle vermittelten. Bekannte Marken können in der Folge zu einem positiven Firmenimage verhelfen und aber auch die Corporate

Identity stärken und positiv beeinflussen. Das geht dann so weit, dass wertorientierte Unternehmensstrukturen, in denen die Marke in eine eigene Gesellschaft ausgelagert, dann noch an die Betriebsführung lizenziert wird – um damit einerseits den Wert der Marke besser zu sichern und andererseits Werte

für das Unternehmen zu schaffen, die man ohne diese Strukturen nicht schaffen könnte – sowohl für das Management, die Eigentümer, aber auch für Kapitalgebende Banken von Vorteil sein können. 

Als immaterieller Vermögensgegenstand wird der Wert der Marke immer eine der wichtigsten bilanzrelevanten Kennziffern bleiben. Informationen darüber werden auch für potentielle Kapitalgeber immer von zentraler Bedeutung sein.

 

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(c) European Brand Institute

iconannual-Magazin: Wo bewegt sich eine Marke am Kapitalmarkt und wo liegt – aus finanzorientirter Sicht – der Wettbewerbsvorteil von Markenunternehmen?

 

Gerhard Hrebicek: Von Unternehmen erwarten sich die aktiv am Kapitalmarkt Beteiligten zunehmend nicht nur eine finanzorientierte und auf „hard facts“ basierende Informationsgestaltung, sondern vor allem eine stärkere Integration der „soft facts“, um die Effizienz und Abläufe der unternehmerischen Entscheidungsstruktur nachvollziehen zu können. Investoren erkennen einerseits zunehmend die Vorteile einer starken Marke: also erhöhte Rentabilität und niedrigeres Risiko. Andererseits sind sie sich der Tatsache bewusst, dass der Wert der Marke oftmals einen Großteil des gesamten Unternehmenswertes, laut unseren Studien im Durchschnitt um die 40 Prozent aller Unternehmen, Tendenz Richtung 60 Prozent steigend, darstellt. Der Wettbewerbsvorteil der Marke aus wertorientierter Sicht des Unternehmens liegt eindeutig in der Beschleunigung und der geringeren Volatilität der zukünftigen Cashflows. Aus Sicht der Kunden beruht der Wettbewerbsvorteil der Marke vor allem auf Reputation und Image. Diese Einstellung ermöglicht die positive Entwicklung der zukünftigen Cashflows für das Unternehmen und schafft Werte für alle Beteiligten.

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(c) European Brand Institute GmbH/APA-Fotoservice/Schedl

iconannual-Magazin:

Auf welche Methoden greifen Experten, wie Sie einer sind, derzeit bei der Bewertung von Marken zurück?

 

Gerhard Hrebicek: Es gibt eigentlich zwei wesentliche Methoden auf die wir immer wieder zurückgreifen, die sind: zum einen, die finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise, nach der ein Markenwert als Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann, festgelegt wird. Weiters gibt es noch die verhaltenswissenschaftliche Betrachtungsweise, die sich von der betrieblichen Betrachtung löst und Konsumentenurteile in den Mittelpunkt stellt. Nur so können längerfristig zum einen die Effektivität und weiters die Effizienz von Marketingmaßnahmen aber auch die Markensteuerung verbessert werden. Die verhaltenswissenschaftliche Sichtweise widmet sich verstärkt der Messung der Markenstärke, wobei zum Teil nur Einzelaspekte betrachtet und relativ bewertet werden, so dass eine Monetarisierung des Markenwertes nicht im Vordergrund steht. Das hat zum Nachteil, dass die verhaltenswissenschaftliche Operationalisierung des Markenwertes nur eine mangelhafte Verknüpfung der resultierenden Ergebnisse mit einem ökonomischen Wert liefert.

Abgebildet in den Normenwerken ISO 10668 „Brand Valuation – Requirements for monetary brand valuation“ und der ÖNORM 6800 „Markenbewertung“, die von mir entwickelt wurden, sind Marken unter Einbeziehung von den drei wesentlichen Bereichen zu bewerten. Es handelt sich dabei um finanzielle, verhaltenswissenschaftliche und letztendlich auch noch rechtliche Aspekte. Um eine Marke zu bewerten, müssen gewisse Grundsätze beachtet werden. Dazu zählen:

  • die Berücksichtigung des Bewertungsanlasses (Verkauf, Merger, Lizenz, Managementbewertung, Bank, etc.)
  • die Berücksichtigung des Markenschutzes und des aktuellen Markenstatus
  • die Berücksichtigung der Markenart und Markenfunktion
  • die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lebensdauer der Marke
  • die Isolierung von markenspezifischen Einzahlungsüberschüssen
  • die Berücksichtigung von markenspezifischen Risiken
  • die Berücksichtigung eines ertragswertorientierten Verfahrens

 Der Markenwert macht oftmals einen Großteil des gesamten Unternehmenswertes aus und wird aus diesem Grund als operative Management-Größe an Bedeutung gewinnen. Diese Größe wird in herkömmlichen Unternehmensbewertungen nicht berücksichtigt. Deswegen ist es sinnvoll, den Markenwert intern zu verfolgen. Periodische Markenbewertungen ermöglichen es, einen „Return on Brand Investment“ zu ermitteln und in weiterer Folge die Effizienz des Marketings sichtbar zu machen. Danach sieht man sich den Effekt der Marke beim Kunden an und die finanziellen Auswirkungen einer Marke für das Unternehmen. Die meisten dieser Markenbewertungsverfahren werden zum überwiegenden Teil in der bilanziellen Bewertung im Zuge von Käufen oder Verkäufen einzelner Marken oder des Unternehmens eingesetzt.

 

iconannual-Magazin: Wo liegt denn das große Potential für Marken hier in Europa?

 

Gerhard Hrebicek: Wir haben in unseren europäischen Studien gesehen, dass Europa im internationalen Vergleich gegenüber Amerika und China in den Markenwerten zurückfällt. Doch durch das Aufladen von „Heritage Brands“ und mit relativ geringen Investitionen in bestehende Marken, die in Europa vor allem durch viele Klein- und Mittelbetriebe vorhanden sind, hätten wir hier ein immenses Marken-Potential. Wie wir ebenfalls in unseren Studien feststellen, haben wir in Europa zwar doppelt so viele Marken wie die Amerikaner, doch sind die europäischen Marken im Schnitt nur die Hälfte Wert. Das bedeutet, wir haben hier mit den vielen europäischen Marken ein großes Potential. Vor allem bedeutet es, dass wir danach trachten sollten, die Marken der Klein-und Mittelbetriebe, also jene der kleinen Markenunternehmen mit zukunftsorientierten Investitionen, in ihrem Wert zu steigern.

 

iconannual-Magazin: Wie kommen wir zu „großen“ und wertvollen europäischen Marken?

  

Gerhard Hrebicek: Europas hängt in meinen Augen am geistigen Eigentum und hier besonders an den vielen starken und wertvollen Marken, die wir noch viel besser vermarkten müssten. Europa ist bei den Ausgaben in Bildung, Forschung und Entwicklung führend. Die wichtigste strategische Massnahme zum Schutz von Innovationen vor der Nutzung durch Wettbewerber ist einerseits der zeitliche Vorsprung. Daraus entstünde genügend Know How das in „intellectual assets“ wie Innovationen, Patente und vor allem Marken übergeführt werden kann. Ein zeitlicher Vorsprung spielt vor allem bei Produktinnovatoren mit Marktneuheiten eine große Rolle.

 

Ein zweites strategisches Instrument ist die Geheimhaltung. Sie  erlaubt den Ausschluss Dritter, von im Unternehmen entwickeltem, innovationsrelevantem Wissen. In einzelnen europäischen Ländern, wie Finnland, Schweiz, Luxemburg, Schweden, Dänemark und auch Österreich leisten Unternehmen die höchsten Marken-Beiträge zur jeweiligen Volkswirtschaft und sind damit auch weltweite Spitzenreiter im Verhältnis Markenwerte zum Bruttonationalprodukt. Dieser Weg könnte und sollte auch auf Gesamteuropa übertragen werden.

 

Europäische Marken sollten als wesentliches Asset mit derzeit durchschnittlich 40 Prozent des Unternehmenswertes – Tendenz steigend – in die Bilanzen der

Unternehmen aufgenommen und in Ratings berücksichtigt werden. Damit würden zusätzlich „Beteiligungsmöglichkeiten“ an Marken und an Klein- und Mittelunternehmen geschaffen und damit ein wichtiger Schritt für Investitionen in Marken und damit die zukünftige Entwicklung hin zu großen und wertvollen Europäischen Marken gesetzt.

 

iconannual-Magazin: Wie lassen sich diese Markeninvestitionen finanzieren?

 

Gerhard Hrebicek: Das wäre eigentlich sehr einfach, denn durch alternative Finanzierungsformen wie etwa Crowdfinancing, Venture Capital oder Business Angel-Beteiligungen, wurde hier ein großes Potential geschaffen. Man könnte auch einen Bruchteil, der für die Sanierungsmaßnahmen im Bereich des Bankenund Finanzsektors heute in Österreich und Europa verwendeten Gelder dazu nützen, Fonds für immaterielle Vermögenswerte – also Marken – von staatlicher Stelle einzurichten. Diese Fonds könnten sich gemeinsam mit privaten oder institutionellen Investoren bei den wachstumsfähigen Marken – und hier vor allem den zahlreichen kleinen und mittleren Markenunternehmen – beteiligen.

 

iconannual-Magazin: Herr Dr. Hrebicek, was wünschen Sie sich für die nächsten fünf Jahre? Wo soll es beim Markenmanagement hingehen?

 

Gerhard Hrebicek: Berechnungen zum Markenwert einzelner Firmen haben ergeben, dass dieser mitunter die Hälfte des Firmenwertes ausmacht. Manche Firmen bestehen nur noch aus Produktdesign und Markenmanagement. Produziert wird dann irgendwo auf der Welt. Dass Produktion und Design künftig weiterhin getrennt bleiben, davon ist auszugehen, aber das Wichtigste wird sein, dass Marken sich weiterhin im Spannungsfeld zwischen Emotionen der Kunden und der Methodik des Managements bewegen.

 

 


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